Wie oft denken Sie eigentlich über Ihr Gehirn nach? Ganz ehrlich. Wie viel wir der verschlungen aussehenden gräulichen „Masse“ in unserem Kopf zu verdanken haben und zu was sie in der Lage ist, darüber denken wir nur nach, wenn das Gehirn mal nicht so funktioniert wie wir es gerne hätten. Wenn wir z. B. etwas vergessen oder uns den Kopf stoßen und vielleicht eine Gehirnerschütterung haben.
In diesem Blog möchte ich einerseits mit einigen gängigen Mythen über unseren „Grips“ aufräumen und andererseits aufzeigen, wie leistungsstark und faszinierend unser „Oberstübchen“ ist. Schon alleine, dass es für unser Gehirn so viele Spitznamen und unterschiedliche Begriffe gibt zeigt doch, dass wir es mit einem ganz besonderen Organ zu tun haben.
Unser Gehirn kann man sich vorstellen wie ein Knäuel aus Milliarden Nervenzellen, die durch Milliarden Verbindungen miteinander verknüpft sind. Wenn wir etwas Neues lernen, kommen neue Verbindungen hinzu. Sobald wir diese Verbindungen nicht mehr regelmäßig oder gar nicht mehr nutzen, verkümmern sie nach und nach. Durch Lernen kann Wissen aufgebaut und abgespeichert werden. Allerdings vergessen wir viele Dinge, z. B. Vokabeln in einer Fremdsprache, irgendwann wieder, wenn wir sie nicht immer wieder auffrischen oder benutzen.
Nein, Intelligenz hat nichts mit der Größe des Gehirns zu tun, sondern größtenteils mit der Fähigkeit, unterschiedliche Bereiche zu verknüpfen und neue Verbindungen aufzubauen. Je kürzer die Wege dieser Verbindungen sind, desto effektiver arbeitet unser Gehirn. Unser Gehirn arbeitet niemals als Ganzes gleichzeitig – wäre das so, würden wir nie zur Ruhe kommen und ständig zappelig durch die Gegend laufen. Grundsätzlich sind aber so gut wie alle Areale zu gewissen Zeiten aktiv.
Wir sind auch nicht geistig leistungsfähiger, je mehr Anteile des Gehirns gleichzeitig arbeiten, im Gegenteil. Konzentration etwa ist nur möglich, wenn wir es schaffen, bestimmte Bereiche auch mal auszublenden. Der Mythos, dass wir nur etwa 10 % unseres Gehirns überhaupt nutzen, stimmt also nicht. Wäre das so, würde etwa eine Gehirnschädigung infolge eines Unfalls in den meisten Fällen ohne merkbare Folgen bleiben. Fakt ist, dass wir im Schlaf bereits ca. 10 % unseres Gehirns nutzen. Und das, obwohl wir nicht bewusst aktiv sind. Der Mythos, dass unser Gehirn nachts schläft und untätig ist, stimmt also ebenfalls nicht.
Unser Gehirn ist in verschiedene Areale unterteilt, die für bestimmte Aufgaben zuständig sind. Es ist aber nicht so, wie oft behauptet wird, dass die linke Gehirnhälfte für die Logik und die rechte für die Kreativität zuständig ist. Auch das ist ein falscher Mythos. Beide Hälften arbeiten stattdessen immer zusammen und nicht eigenständig für sich. Es sind immer mehrere Bereiche gleichzeitig aktiv, die sowohl links als auch rechts im Gehirn sitzen.
Tipp: Wer mehr über unser Gehirn und Mythen rund um unsere grauen Zellen erfahren möchte, dem empfehle ich das Buch „Hirnrissig“ von Henning Beck https://www.youtube.com/watch?v=0m1iqyJVQa0&list=WL&index=1. Auf sehr unterhaltsame Weise räumt er mit bekannten Mythen auf und bringt uns unsere Schaltzentrale auf kurzweilige Art näher.
Das Gehirn ist auch im Normalzustand schon sehr bemerkenswert. Wissenschaftler haben 2021 eine bestimmte Gehirnregion einer Maus so genau kartographiert wie nie zuvor. Dabei haben sie herausgefunden, dass in dieser kleinen Region (das Volumen betrug 1,4 mm x 0,87 mm x 0,84 mm) alleine schon 200000 Zellen sowie 75000 Neuronen und 523 Millionen Synapsen Platz finden. Wenn man sich nun vorstellt, welche Datenmengen in unserem menschlichen Gehirn verarbeitet werden, kann einem glatt schwindelig werden. Auch die Geschwindigkeit, in der sich Nervenzellen im Gehirn austauschen, ist beeindruckend: Sie liegt bei 1000 mal pro Sekunde!
Sicher kennen Sie sie auch, die Beispiele von menschlichen Gehirnleistungen, die uns stauen lassen. Manche davon sind erlernt und trainiert, z. B. das Merken von Reihenfolgen eines oder mehrerer Kartenspieldecks. In der Sendung „Klein gegen Groß“ in der ARD trat die Schauspielerin Heike Makatsch gegen den 11-jährigen Dexter an, der behauptet, er könne sich die zufällige Reihenfolge der Karten von drei Kartendecks merken – das sind 156 Karten. Wer sich anschauen möchte, wer von beiden es geschafft hat, findet das entsprechende Video hier: https://www.youtube.com/watch?v=6ZYiafi-g0U.
Es gibt verschiedene Methoden, sich bestimmte Dinge einzuprägen und abzurufen. Häufig merken sich die Beteiligten eine Geschichte, die sie rund um z. B. die Spielkarten kreieren. Das fällt leichter, als sich die Karten als solche zu merken. Beim Thema Lernen gibt es einige Tricks und wirksame Methoden, wie man sein Gehirn unterstützen kann, sich Dinge einzuprägen, sich zu fokussieren und zu motivieren. Viele dieser Techniken vermittle ich auch meinen Kursteilnehmern und kann sagen: Es wirkt!
In der Geschichte waren bestimmte Menschen schon immer aufgrund ihrer außergewöhnlichen Intelligenz oder unglaublicher Denkleistungen bekannt. Albert Einstein etwa kann zurecht als Genie bezeichnet werden und auch Leonardo Da Vinci war seiner Zeit so weit voraus, das manche Menschen sogar glauben, Außerirdische hätten ihm sein umfassendes Wissen „eingepflanzt“.
Schon immer waren wir fasziniert von solchen Menschen und von aufsehenerregenden Fähigkeiten, z. B. wenn jemand nach einem Unfall eine Sprache beherrscht, die er vorher nie gelernt hat oder plötzlich Piano spielen kann wie ein Profi. Ähnlich ist es mit der teilweise sehr anderen Denkweise etwa von Menschen mit Autismus. Es gibt Inselbegabungen, die uns einfach staunen lassen. So reicht Betroffenen manchmal ein Blick auf die New Yorker Skyline, um sie anschließend bis ins kleinste Detail aus dem Gedächtnis heraus zu zeichnen.
Was genau im Gehirn passiert, um zu solchen Höchstleistungen fähig zu sein, ist noch nicht abschließend geklärt. Faszinierend ist es vielleicht gerade aus diesem Grund, weil es so unfassbar und geheimnisvoll ist.
Unter Gehirn-Jogging versteht man gemeinhin das Trainieren der grauen Zellen mithilfe von Rätseln, bestimmten Übungen oder speziellen Techniken. Viel wörtlicher nimmt das übrigens Bryce Alford. In einem 7 Kilogramm schweren Gehirnkostüm trainiert er täglich für den Marathon – er möchte nämlich den Rekord aufstellen für das schnellste menschengroße Gehirn, das jemals einen Marathon bestritten hat.
Was lustig klingt hat einen ernsten Hintergrund. Alford ist Fundraising Manager einer wohltätigen Organisation mit dem Namen Headway, die sich um Menschen mit Gehirnverletzungen kümmert und diese unterstützt. Mit seiner Aktion beim London Marathon möchte Alford die Aufmerksamkeit auf das Thema lenken und ich bin sicher, dass er mit seiner außergewöhnlichen Outfitwahl genau das erreicht hat. Eine wirklich tolle Aktion!